Unterstützung bei ersten Erfahrungen?

[Anonymous]

Guten Tag liebe Community,

Ich sammle gerade erste Erfahrungen mit HRV Messungen und befinde mich im Modul 2 von Alfred Lohninger.

Dies ist meine erste Messung für einen Klienten, und ich wollte fragen, ob jemand von euch so nett, seine Erkenntnisse aus dieser Messung mit mir zu teilen und mich mit ersten Anhaltspunkten zu unterstützen?

Liebe Grüsse
Remo

[Gast]

Hallo Remo,

danke für deine Messung.
Vielleicht wäre es ganz gut, wenn du mit deinen Erkenntnissen beginnst, und wir ergänzen. Damit profitierst du für deine weitere Ausbildung sicherlich am meisten.

Liebe Grüße,
Patricia

Danke für deine Antwort liebe Claudia,

Also als positive Erkenntnisse würde ich diesem Klient mitgeben:

- dass sein Herz mit 96`539 Schlägen in 24h sehr ökonomisch schlägt.

- seine minimale Herzrate bei 38 BpM liegt, was ebenfalls ein sehr guter Wert darstellt, das sein Herz den Organismus sehr effizient versorgen kann. Diesen tiefen Wert hat er wahrscheinlich seiner früheren Sportlerkarriere zu verdanken.

- Ebenfalls verfügt er über eine gute Anpassungsfähigkeit welche in der Dynamik A von 19,32 Schlägen erkennbar ist.
Die mittlere Herzrate Total von 66,40 ist ebenfalls ein guter und ökonomischer Wert.

- Die mittlere Herzrate im Schlaf von 55 BpM weist darauf hin, dass er im Schlaf gut regenerieren kann.

Tendenziell ist er stark im VLF, das könnte beispielsweise darauf hinweisen, dass er zielstrebig ist und Dinge lösungsorientiert umsetzt.

Mit den Verbesserungsvorschlägen und den Schwächen bin ich hingegen noch sehr vorsichtig. Könntest du mir diesbezüglich ein paar Tipps mitgeben?

Vielen Dank und liebe Grüsse
Remo

[Erich]

Hallo Remo,

danke für Deine Messung und Gratulation, dass Du Dich mit der HRV beschäftigst! Mich würde interessieren, was er bei der manuellen Arbeit tut. Beim langen Essen (bzw. Kommunikation) bricht so gegen 18.30 Uhr die Energie sowohl in der VLF als auch in der LF für fast den Rest des Abends ziemlich weg und es zeigt sich unmissverständlich ein Erschöpfungszustand. Trinkt er da Alkohol und/oder isst er etwas Schweres, oder strengt ihn die Unterhaltung einfach sehr an? Die „beste“ Zeit hat er zu Beginn der Messung in der Früh und von 17.30 – 18.30 Uhr. Was ist die manuelle Aktivität um kurz vor 6 Uhr früh?

Obwohl die Herzrate eher niedrig ist, kommt er in der HF mit 5,37% nicht wirklich in die Gänge. Auch im Schlaf braucht er lange, bis die erste RSA sichtbar wird. Die Herzrate sinkt nach dem Einschlafen nur langsam, auch das ein Hinweis auf Alkohol oder Überforderung. Sein Biologisches Alter entspricht so gerade seinem kalendarischen. Schon ok, aber nicht berauschend.

Im Lebensstil bildet sich aktuell eine eher lausige Regeneration ab, genauso ein nicht vorteilhaftes Essverhalten. Sein beruflicher Alltag dürfte zwischen manueller Aktivierung, Autofahren und PC-Arbeit sehr rigide getaktet sein. Noch steckt er das alles recht gut weg, aber seine Atmung dürfte unter diesem Druck etwas leiden. Die niedrige HF zeigt das an. Auch seine körperliche Performance ist unterdurchschnittlich. Bei der mutmaßlichen Laufeinheit von 30 Minuten bei Puls 150 ist er praktisch am Limit, das Lebensfeuer ist komplett weggebrochen, es gibt keine Reserven mehr. Danach bleibt die Herzrate noch länger deutlich höher als vorher. D. h. die Neurophysiologische Belastung (NPB) ist hoch und die Dynamik C (Puls vorher, nachher) ebenfalls.

Die mentale Belastbarkeit ist seine Stärke, es gelingt ihm nicht schlecht, die anderen Belastungen damit geistig wegzudrücken. Als tendenzieller LFler würde ihm ein konkretes „(Fitness-Programm“, das er im Alltag „abarbeiten“ kann, zwar taugen, er würde es auch "durchziehen", aber als schwacher HFler braucht er dringend Spielräume und mehr Tapetenwechsel ohne Leistungsanspruch. Also nicht die Ergebnisorientierung wie im Beruf, sondern die lockere Erlebnisorientierung zum Spaß! Und zum stressfreien Durchatmen, ohne mit sich streng zu sein. Zeit mit Freunden tun ihm gut! Sollte er über den Durst getrunken haben, kannst Du ihm die Folgen anschaulich aufzeigen - Erschöpfung, anfangs schlechter Schlaf.

Liebe Grüße aus Innsbruck,
Erich

Wow Erich,
Vielen herzlichen Dank für deine hilfreiche Antwort. Ich bin begeistert.
Erstens, davon dass du mir eine so aufschlussreiche Antwort gibst und Zweitens davon, wie gut deine Analyse zum gemessenen Menschen passt. Ich bin wirklich fasziniert von dieser Technologie. Danke dafür.

Zu deinen Fragen:

Betreffend der manuellen Arbeit kommt es darauf an, welche du genau meinst. Die zu Beginn der Messung (Sonntag um 08:23) findet die erste manuelle Arbeit dann um 09:16 - 10:12 Uhr statt. Dabei handelt es sich um einen Service an einer Tauchstation - Ein Nebengeschäft, übernommen von den Schwiegereltern. Daran wird am Abend und am Wochenende gearbeitet.

Die manuelle Arbeit am Ende der Messung - das wäre dann am Montag kurz vor 06:00 Uhr, weiss ich nicht genau um welche manuelle Arbeit es sich handelt. Ich interpretiere aber anhand der Werte, dass er da Top fit ist. Bei der Körperpflege davor hat er eine TP von 12`200 und bei der von dir nachgefragten manuellen Arbeit hat er eine TP von 9`600.

Beim langen Essen (bzw. Kommunikation) von ca. 17:00 bis ca. 20:00 Uhr handelt es sich um ein Abendessen bei den Eltern. Ob Alkohol im Spiel war oder was gegessen wurde weiss ich nicht - werde ich aber in Erfahrung bringen. Was ich weiss ist, dass die Beziehung zu den Eltern angespannt ist. Ich kann mir vorstellen, dass der Abend gut begonnen hat und dass es dann Diskussionen gab. Wäre das stimmig mit den Werten im Spektrogramm?

Im Schlaf braucht er dann lange, bis die erste RSA sichtbar wird. Vielleicht muss er den Stress vom Abendessen mit den Schwiegereltern verarbeiten?

Sport, Regeneration und lockerlassen während des Alltags schaue ich gerne mit ihm an. Vielen Dank auch hier für die sehr treffenden Inputs.

Auch die Schlussbeschreibung seiner Persönlichkeit und Lebenseinstellung passt perfekt.

Ich bedanke mich bei dir lieber Erich und hoffe meine Rückmeldung wirft Licht auf die von dir gestellten Rückfragen?

Ganz liebe Grüsse
Remo

[Erich]

Sehr gerne, Remo! Wenn ich das Coaching durchführen müsste/dürfte, dann würde ich als Opener dieses Abendessen hernehmen und ihn vorab befragen, wie es ihm dabei und auch im Rest abends gegangen ist. Er wird Dir ziemlich sicher das widerspiegeln, was die Performance-Leiste aussagt: anfangs sehr gut, aber irgendwann ist die Situation ein wenig eskaliert und es hat Mühe gekostet, den Abend irgendwie zu retten. Aus dem anfänglichen Eu-Stress (gute 0,1er Bande) ist ein Dys-Stress (schlechte 0,1er Bande) geworden, erst so gegen 20.30 Uhr geht es wieder halbwegs. Aber genervt hat ihn das Treffen ziemlich. Damit holst Du ihn in die Messung und baust für das weitere Coaching das nötige Vertrauen auf. Ich drück Dir die Daumen & lass was hören/lesen!

Hi Erich,
Gute Idee mit dem Opener. Das werde ich genau so machen. Danke.

Würdest du mir das mit dem Eu-Stress und dem Dys-Stress genauer erklären? Wie erkenne ich das im Spektrogramm? Ich erkenne nur, dass im Verlaufe des Gespräches die Frequenz im LF Band stark abnimmt.
Vielen Dank und liebe Grüsse
Remo

[Erich]

Letztendlich wird (erfolgreich und zuverlässig!) versucht, die objektiv-absoluten Daten der HRV-Messung über Algorithmen in eine subjektiv-relative Befindlichkeit zu übersetzen, die wir dann in der Performance-Leiste farblich kodiert ablesen können. Eu- und Dys-Stress zeigen sich im direkten Vergleich durch unterschiedliche Frequenzmuster optisch nachvollziehbar im Spektrogramm und in den Daten der 5-Minuten-Abschnitte und der Herzrate. Beim motivierenden, positiven Stress sieht man eine eher niedrige Herzrate, durch offene Blutgefäße eine gute Durchblutungsrhythmik, d. h. relativ hohe VLF-Werte und durch hohe Bereitschaft und Lust, sich einlassen und konzentrieren zu wollen, gute LF-Werte. Wenn man in die Messung hineinzoomt, würde man sicher auch in der HF-Bande höhere Werte sehen wie später, weil er ruhiger und tiefer atmet. Dadurch ist die Performance-Leiste grün und die psycho-physische Befindlichkeit gut bis sehr gut. Wenn sich die Stresslage ändert, ohne dass sich die Situation, zB Aktivität und/oder Körperlage, grundlegend ändert, sondern gleichbleibt und sich auch diese Parameter sofort ändern, muss etwas passiert sein. Die Herzrate steigt, in diesem Fall 10 – 20 Schläge, die Durchblutung nimmt ab, weil sich die Blutgefäße zusammenziehen und die Fokussierung nimmt im Sinn einer gewissen Fahrigkeit, Frust und einer Art „Verwirrtheit“ ab. Die Atmung wird schneller und oberflächlicher und damit sinkt die HF-Bande. „Das System“ erkennt sowas durch permanente Berechnung automatisch. Es ist ziemlich selten, dass die Befindlichkeit fast nahtlos von „sehr gut“ auf „Erschöpfung“ innerhalb von Minuten kippt, ohne sich langsamer über „gut – mittel – Müdigkeit“ zu verschlechtern. Ist das nachvollziehbar?

Danke Erich
Ich sag es mal so - wenn ich nach Modul 3 das Thema auch nur annähernd so erklären kann, dann bin ich für Erste happy