Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nach dem HRV-Sport-Wochenende in Wien mit vielen fachlichen und gedanklichen Inputs habe ich die letzten Tage über das Gehörte und Erfahrene ein wenig nachgedacht, weil bei manchen Themen eine eigentlich interessante, vertiefende Diskussion aus Zeitgründen einfach nicht möglich war. Deshalb jetzt ein paar Gedanken zu angerissenen Themen, die ich besonders interessant fand.
Nachdem ich bei jedem HRV-Update der letzten Jahre dabei war, kristallisiert sich für mich ein Hauptthema des Trainings heraus: Offenbar werden insbesondere bei Kindern und Jugendlichen Trainingsmethoden angewendet, die zwar in sehr jungen Jahren unter besonders günstigen Umständen zu größeren Leistungszuwächsen führen können, die man aber durchaus als trainingsmethodischen „Pyrrhussieg“ bezeichnen kann, weil die Leistungsentwicklung vielfach nicht nachhaltig i. S. v. kontinuierlich ist, sondern oft genug stockt oder sogar abfällt. Um es unmissverständlich auszudrücken: Viele Kinder und Jugendliche werden im Training verheizt.
Sowohl Seppi, als auch letztes Jahr Martin Beiler im Shorttrack und heuer Sarah Wagner im Langlauf und Biathlon haben immer wieder eindrücklich darauf hingewiesen, wie negativ sich die scheinbar wissenschaftlich etablierten Methoden auf Körper, Geist und Seele der jungen SportlerInnen auswirken können. Ja, man muss geradewegs feststellen, dass Kinder und Jugendliche nicht wegen, sondern trotz der auslaugenden Trainingsmethoden bzw. Trainer (vornehmlich in Ausdauersportarten) Leistungsfortschritte erzielen. Sarah hat ja eindrücklich geschildert, wie selbst niederschwelliges Regenerations- bzw. GA1-Training in der Praxis zu einem Ausscheidungsrennen innerhalb der Trainingsgruppe missbraucht wird und „wahnwitzige Umfänge und Intensitäten geschrubbt werden“. Das hat zumindest für mich so geklungen, als ob Trainer ihre SportlerInnen in erster Linie zu Trainingsweltmeistern machen wollen, um ihre persönlichen Alltagseitelkeiten zu befriedigen. Vielfach herrsch auch Folgenblindheit gegenüber zu intensivem Training, weil Ursache – also zu intensives und langes Training – und Wirkung – also schleppende Leistungsentwicklung und zu frühes Karriereende – zeitlich weit auseinanderliegen. Von blindem Trainingsgehorsam und Unaufgeschlossenheit gegenüber Neuem, z. B. HRV-gesteuertem Training, ganz abgesehen.
Ich bin überzeugt, dass ein beträchtlicher Teil der leidigen Problematik auf ein schlichtes begriffliches Missverständnis zurückzuführen ist, bei dem es hauptsächlich um den sog. „Entwicklungsbereich“ geht. Ein Anstrengungsbereich, in dem sich Sportler, wie am Wochenende bereits diskutiert, selbst recht gerne und lange aufhalten, weil er einem schnell das Gefühl gibt, „was getan zu haben“ und die Erwartungen an einen Sportler auf Punkt und Beistrich zu erfüllen, nämlich sich „richtig anzustrengen“, wie es sich für ein „richtiges“ Training gehört. Es liegt in der DNA von SportlerInnen, sich weiterentwickeln zu wollen und TrainerInnen, alles dafür zu tun. Was liegt näher, als das im Entwicklungsbereich zu tun? Und zwar so lang wie möglich, damit man sich auch noch schnell weiterentwickelt. Wie wir aus den Erfahrungen der HRV-Messungen wissen, ist das ein grobes Missverständnis, weil zu häufiges langes, intensives Training auslaugt, die HRV als psycho-physischen Basisparameter ruiniert, tendenziell krankheitsanfällig macht und so Sportkarrieren völlig unnötig frühzeitig beenden lässt.
Deshalb denke ich mir, es wäre schlauer, manche Bereiche schlichtweg anders zu bezeichnen, damit sie für SportlerInnen keinen missverständlichen (Un)Sinn ergeben. Nämlich in einen Regenerationsbereich und einen Entwicklungsbereich, der drei Trainingsbereiche beinhaltet, in die der Wettkampfbereich integriert ist. In diesem Sinn:
EB 3: kurzer, hochintensiver Trainingsbereich (kardio-pulmonales System)
EB 2: Wettkampfbereich
EB 1: langer, extensiver Trainingsbereich (Substanzaufbau, Kapillarisierung, Ökonomisierung)
RB: unterschwelliger Regenerationsbereich
Damit wäre klargestellt, dass man in jedem Entwicklungsbereich einen anderen Leistungsparameter entwickelt, der in der HRV seinen konkreten, messbaren Niederschlag findet. Der Wettkampfbereich ist ja pulstechnisch meistens nicht der hochintensivste Trainingsbereich, weil Wettbewerbe im Ausdauerbereich ja von einem 10-km-Lauf bis zum Race accross America gehen. Deshalb halte ich es auch nicht für sinnvoll, alle Ausdauerleistungen generell über einen Kamm zu scheren. Mit dieser Bezeichnung wäre zumindest aus Sicht der HRV sichergestellt, dass JEDER Trainingsbereich ein Entwicklungsbereich ist, und nicht nur derjenige, der bis jetzt als Entwicklungsbereich bezeichnet wird. So lässt sich z. B. sportartunspezifisch ohne schlechtes Trainingsgewissen in einem relativ niedrigen Bereich trainieren.
Ein weiteres Thema betrifft die Abwechslung im Trainingsalltag. Jean Cocteau hat den Satz geprägt: „Die meisten Menschen leben in den Ruinen ihrer Gewohnheiten.“ Damit ist natürlich nicht ein stabilisierender Lebensrhythmus gemeint, sondern dass bestimmte Routinen und Gewohnheiten schon lange ihre Bedeutung im Alltag verloren haben, viele Menschen es aber nicht fertigbringen, diese zu hinterfragen und zu verändern. Ich bin überzeugt, dass auch eine beträchtliche Zahl v. a. leistungsorientierter Hobbysportler oft in den Ruinen ihrer Gewohnheiten trainiern. D. h. es wird einfach nicht hinterfragt, ob bestimmte Trainingsformen und -methoden überhaupt zu Fortschritten führen oder es wird schlicht das trainiert, was einem persönlich leicht fällt und gefällt, weil es ein gutes Gefühl macht. Die Abwechslung im Training kommt da viel zu kurz. Jeder Sportler braucht immer wieder Tapetenwechsel, d. h. völlig ungewohnte Reize, die nicht nur physisch, sondern auch psychisch, also motivatorisch, etwas bringen.
Liebe Grüße, Erich
nach dem HRV-Sport-Wochenende in Wien mit vielen fachlichen und gedanklichen Inputs habe ich die letzten Tage über das Gehörte und Erfahrene ein wenig nachgedacht, weil bei manchen Themen eine eigentlich interessante, vertiefende Diskussion aus Zeitgründen einfach nicht möglich war. Deshalb jetzt ein paar Gedanken zu angerissenen Themen, die ich besonders interessant fand.
Nachdem ich bei jedem HRV-Update der letzten Jahre dabei war, kristallisiert sich für mich ein Hauptthema des Trainings heraus: Offenbar werden insbesondere bei Kindern und Jugendlichen Trainingsmethoden angewendet, die zwar in sehr jungen Jahren unter besonders günstigen Umständen zu größeren Leistungszuwächsen führen können, die man aber durchaus als trainingsmethodischen „Pyrrhussieg“ bezeichnen kann, weil die Leistungsentwicklung vielfach nicht nachhaltig i. S. v. kontinuierlich ist, sondern oft genug stockt oder sogar abfällt. Um es unmissverständlich auszudrücken: Viele Kinder und Jugendliche werden im Training verheizt.
Sowohl Seppi, als auch letztes Jahr Martin Beiler im Shorttrack und heuer Sarah Wagner im Langlauf und Biathlon haben immer wieder eindrücklich darauf hingewiesen, wie negativ sich die scheinbar wissenschaftlich etablierten Methoden auf Körper, Geist und Seele der jungen SportlerInnen auswirken können. Ja, man muss geradewegs feststellen, dass Kinder und Jugendliche nicht wegen, sondern trotz der auslaugenden Trainingsmethoden bzw. Trainer (vornehmlich in Ausdauersportarten) Leistungsfortschritte erzielen. Sarah hat ja eindrücklich geschildert, wie selbst niederschwelliges Regenerations- bzw. GA1-Training in der Praxis zu einem Ausscheidungsrennen innerhalb der Trainingsgruppe missbraucht wird und „wahnwitzige Umfänge und Intensitäten geschrubbt werden“. Das hat zumindest für mich so geklungen, als ob Trainer ihre SportlerInnen in erster Linie zu Trainingsweltmeistern machen wollen, um ihre persönlichen Alltagseitelkeiten zu befriedigen. Vielfach herrsch auch Folgenblindheit gegenüber zu intensivem Training, weil Ursache – also zu intensives und langes Training – und Wirkung – also schleppende Leistungsentwicklung und zu frühes Karriereende – zeitlich weit auseinanderliegen. Von blindem Trainingsgehorsam und Unaufgeschlossenheit gegenüber Neuem, z. B. HRV-gesteuertem Training, ganz abgesehen.
Ich bin überzeugt, dass ein beträchtlicher Teil der leidigen Problematik auf ein schlichtes begriffliches Missverständnis zurückzuführen ist, bei dem es hauptsächlich um den sog. „Entwicklungsbereich“ geht. Ein Anstrengungsbereich, in dem sich Sportler, wie am Wochenende bereits diskutiert, selbst recht gerne und lange aufhalten, weil er einem schnell das Gefühl gibt, „was getan zu haben“ und die Erwartungen an einen Sportler auf Punkt und Beistrich zu erfüllen, nämlich sich „richtig anzustrengen“, wie es sich für ein „richtiges“ Training gehört. Es liegt in der DNA von SportlerInnen, sich weiterentwickeln zu wollen und TrainerInnen, alles dafür zu tun. Was liegt näher, als das im Entwicklungsbereich zu tun? Und zwar so lang wie möglich, damit man sich auch noch schnell weiterentwickelt. Wie wir aus den Erfahrungen der HRV-Messungen wissen, ist das ein grobes Missverständnis, weil zu häufiges langes, intensives Training auslaugt, die HRV als psycho-physischen Basisparameter ruiniert, tendenziell krankheitsanfällig macht und so Sportkarrieren völlig unnötig frühzeitig beenden lässt.
Deshalb denke ich mir, es wäre schlauer, manche Bereiche schlichtweg anders zu bezeichnen, damit sie für SportlerInnen keinen missverständlichen (Un)Sinn ergeben. Nämlich in einen Regenerationsbereich und einen Entwicklungsbereich, der drei Trainingsbereiche beinhaltet, in die der Wettkampfbereich integriert ist. In diesem Sinn:
EB 3: kurzer, hochintensiver Trainingsbereich (kardio-pulmonales System)
EB 2: Wettkampfbereich
EB 1: langer, extensiver Trainingsbereich (Substanzaufbau, Kapillarisierung, Ökonomisierung)
RB: unterschwelliger Regenerationsbereich
Damit wäre klargestellt, dass man in jedem Entwicklungsbereich einen anderen Leistungsparameter entwickelt, der in der HRV seinen konkreten, messbaren Niederschlag findet. Der Wettkampfbereich ist ja pulstechnisch meistens nicht der hochintensivste Trainingsbereich, weil Wettbewerbe im Ausdauerbereich ja von einem 10-km-Lauf bis zum Race accross America gehen. Deshalb halte ich es auch nicht für sinnvoll, alle Ausdauerleistungen generell über einen Kamm zu scheren. Mit dieser Bezeichnung wäre zumindest aus Sicht der HRV sichergestellt, dass JEDER Trainingsbereich ein Entwicklungsbereich ist, und nicht nur derjenige, der bis jetzt als Entwicklungsbereich bezeichnet wird. So lässt sich z. B. sportartunspezifisch ohne schlechtes Trainingsgewissen in einem relativ niedrigen Bereich trainieren.
Ein weiteres Thema betrifft die Abwechslung im Trainingsalltag. Jean Cocteau hat den Satz geprägt: „Die meisten Menschen leben in den Ruinen ihrer Gewohnheiten.“ Damit ist natürlich nicht ein stabilisierender Lebensrhythmus gemeint, sondern dass bestimmte Routinen und Gewohnheiten schon lange ihre Bedeutung im Alltag verloren haben, viele Menschen es aber nicht fertigbringen, diese zu hinterfragen und zu verändern. Ich bin überzeugt, dass auch eine beträchtliche Zahl v. a. leistungsorientierter Hobbysportler oft in den Ruinen ihrer Gewohnheiten trainiern. D. h. es wird einfach nicht hinterfragt, ob bestimmte Trainingsformen und -methoden überhaupt zu Fortschritten führen oder es wird schlicht das trainiert, was einem persönlich leicht fällt und gefällt, weil es ein gutes Gefühl macht. Die Abwechslung im Training kommt da viel zu kurz. Jeder Sportler braucht immer wieder Tapetenwechsel, d. h. völlig ungewohnte Reize, die nicht nur physisch, sondern auch psychisch, also motivatorisch, etwas bringen.
Liebe Grüße, Erich
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